Designer setzten bei der Fashion Week ein Zeichen gegen den Krieg.
Heute ist nicht die Zeit, um über Mode zu sprechen, sondern durch Mode,
sagte Designer Jean Gritsfeldt aus Kjiv in einer Videobotschaft.
Der Berliner Salon im Kraftwerk Berlin
Den Auftakt zur Berlin Fashion Week 2022 im März machte „Der Berliner Salon“ im Kraftwerk Berlin. Die Plattform entstand in Partnerschaft mit der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie Mercedes-Benz.
Seit acht Jahren können deutsche Designer Ihre Kollektionen in einer Gruppenausstellung präsentieren. Die aktuellen Arbeiten der Designerinnen und Designer aus den Bereichen Mode, Schmuck und Accessoires zeigen einmal mehr die Qualität „Made in Germany“.
Dawid Tomaszewski hatte seine Fashion Show wegen des Krieges in der Ukraine abgesagt. Er präsentierte aber Teile aus seiner Kollektion in der Gruppenausstellung.
Danny Reinke im Kraftwerk Berlin
Der Titel „Devil’s Delight“ charakterisiert perfekt die Runway-Show von Designer Danny Reinke. Im düsteren Kraftwerk Berlin zeigte er seine neueste Prêt-à-Couture-Kollektion. Der Teufel steckt überall. Die Freude jedoch wird siegen.
Schwarze Outfits dominierten die Farbpalette, die überging in ein elegantes Grau und in Weiß erstrahlte. Ein buntes Potpourri wurde mit kräftigen Rottönen über Pink bis zum knalligen Lila erreicht. Karos und Streifen vermischten sich zu wilden Mustern. Üppige Rüschen aus Tüll und schmale Schleifen trafen auf geradlinige Schnitte der Kollektion.
Danny Reinke will mit seiner Kollektion die inneren, menschlichen, dunklen Emotionen zum Ausdruck bringen – die jedoch in hoffnungsvollem Optimismus aufleuchten. Reinke kreierte einen gekonnt wilden Mix unterschiedlicher Looks.
Anja Gockel im Hotel Adlon Berlin
Unter dem Motto „Weltgewand(t)“ zeigte Anja Gockel ihre Winterkollektion 2022/23 in der Lobby des Hotel Adlon Kempinski. Ein passenderes Thema konnte Anja Gockel für die heutige Situation nicht finden. Ihre Interpretation für eine Welt in Frieden und Freiheit.
Spontan engagierte sie Nataliia Ovcharova für ihre Show. Die ukrainische Tänzerin war gerade aus Kjiv geflüchtet. Nataliia trug das finale Outfit. Ein bodenlanges Kleid in Gelb mit einem meterlangen Schal in den ukrainischen Farben blau und gelb. Eine schöne Geste, das Becken des berühmten Elefantenbrunnen im Foyer war üppig mit blauen und gelben Blumen geschmückt.
Kollektion einer weltgewandten Frau
Anja Gockels Kollektion „Weltgewand(t)“ ist inspiriert von Kontrasten und Unterschieden wie die Welt in guten Zeiten sein soll. Für sie in ungewohnt gedeckten Farben wie Weinrot und Grau oder Schwarz sind teilweise komplette Outfits.
Einige schwarze Outfits mit bunten Boleros aus glänzenden Stoffen bilden einen edlen Kontrast. Üppige Schnitte u. a. zu sehen beim Look eines kamelhaarfarbigen Mantels mit beige/grauer Karohose. Unterschiedlich buntgestreifte Kleider und Blusen passten zu Hosen in uni. Seidig schimmernde Mantel-Hosen-Kombinationen in mauve, grau und resedagrünen Streifen sind stylisch von oben bis unten.
Farblich passende Taschen von Picard und Pompöös Eyewear by Harald Glööckler von Hies Optik ergänzten die Looks. Die Haare frisierte André Märtens mit seinem Team. Den schönsten Augenaufschlag zauberten CB Lash Magnetwimpern. Die funkelnden Juwelen von Bucherer komplettierten die Styles.
Auch dieses Mal wurde die Kollektion tanzend von Models und internationalen Tänzerinnen rund um den legendären Brunnen vorgeführt. Ein gekonntes Zusammenspiel zwischen Kollektion und choreographierter Show. „Kunst ist ein Manifest des Lebens. Wir müssen sie nutzen, um unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen und Haltung zu zeigen. Das ist unser Privileg der Freiheit“, so Anja Gockel
Kilian Kerner im Kraftwerk Berlin
Liebe und Frieden – mit der wichtigsten Botschaft in diesen Tagen begeisterte Designer Kilian Kerner mit seiner neuesten Kollektion die Fashionisten. Für die Fashionshow inszenierte er auf dem Catwalk ein modernes Märchen. Das Drehbuch für die Liebesgeschichte zwischen „Claudette & Rico – eine Liebe zwischen Mond und Asphalt“ hat er selbst geschrieben. Das Hörspiel sprachen Schauspielerin Jella Haase und Jungschauspieler Lasse Klene.
Dem Publikum wurde es als Opening zur Show präsentiert. Mit 24 Damen– und 18 Herren-Looks erweckte Kerner die Liebesgeschichte zum Leben. Seine neue Kollektion ist ein Sinnbild für selbstbewusste Weiblichkeit. Das kreative Brechen von Klischees war Thema aller Looks auf dem Runway. Die Kooperation mit dem Unterwäsche Label Mey wertet sinnlich die Facetten der Weiblichkeit auf.
Die Story
Die Damenkollektion trumpft auf mit Gegensätzen princess vs. boyish. Feminin trifft auf Maskulin. Claudette entdeckt ihren Stil im Kleiderschrank ihres angebeteten Rico, einem jungen Boxer. In der Herrenkollektion sind Elemente aus dem Boxsport zu finden sowie legere Styles mit außergewöhnlichen Details und Taschenlösungen. Ein pfiffiges Accessoire auf dem Runway war ein Staubsauger. Kerner liebt ungewöhnliche Kooperationen.
Die Farben sind gedeckt, akzentuiert mit Gold und Glitzer. Kunstleder trifft auf hochwertige Wollmischungen und viel Tüll. Revers am Rücken und kreative Cut-outs sorgen für einen verspielten Twist in den Schnitten.
Ein Finale der besonderen Art
Kilian Kerner umringt von Models und Mitarbeitern. Alle trugen schwarze Hoodies mit „PEACE“ in weißer Schrift. Ein Video mit „STOP THE WAR“ Botschaften – u.a. von Jella Haase, Eva Padberg, Alice Dwyer, Sabin Tambrea, Clueso, Jacob Rott und vielen Anderen – begleitete das berührende Finale. Kerner zeigte mit diesem emotionalen Moment, dass ihm gesellschaftspolitische Botschaften auch außerhalb des Laufstegs am Herzen liegen – mit dem Wunsch nach Frieden.
Esther Perbandt im Kraftwerk Berlin
Vor mehr als 300 Gästen präsentierte Esther Perbandt ihre neue Frauen- und Männer-Kollektion „L’Atelier Dream Machine“ F/W 22/23. Die Inspiration zu der Kollektion fand die Designerin bereits 2017 in einem halb verkohlten Ringbuchordner. Sie entdeckte das gute Stück in dem kleinen verträumten französischen Ort Chomerac. Das Gebiet war früher berühmt für die Seidenproduktion. Blaupausezeichnungen, vergilbte Fotos und Erläuterungen zu Seidenproduktionsmaschinen waren noch gut erhalten.
So ließ sie aus den gefundenen Motiven im italienischen Lago di Como, Jacquardstoffe aus Seide-Leinen, Jacquard-Foulards aus Wolle und Seide sowie hochwertige Drucke auf Seide herstellen. Die Motive inspirierten sie auch zu einer neuen Schmucklinie aus teilweise überdimensionierten goldenen Zahnrädern als Ohrringe, Halsketten, Arm Cuffs und Gürtelbeschlägen.
Berlin’s Queen of Black
Die neue Kollektion ist nach wie vor hauptsächlich schwarz. Foto-Prints von Maschinen-Bauteilen in schwarz-weißen Sepia Tönen brechen die Styles auf. Esther Perbandt ist bekannt für ihre strengen Uniform- und Menswear-inspirierten Looks.
Skulpturale Silhouetten aus Wolle und Mixgeweben bekommen durch übergroße Cutouts und Drapierungen aus Seidenorganza eine verspielte Leichtigkeit. Shoulder-Pieces und Accessoires, die komplett mit kleinen goldenen Ketten bestickt sind, ergänzen die Outfits. Einige der Looks wurden mit überdimensionierten klassischen Herren-Hüten – von Hutdesignerin Fiona Bennett – gekrönt.
Die Inszenierung von elektronischer Musik, großen Zahnrad-Animationen und langsam laufenden Models in der großen Halle des Kraftwerks erinnerte ein bisschen an Fritz Langs monumentalen Stummfilm Metropolis.
Jean Gritsfeldt im Kraftwerk Berlin
Vor 10 Jahren, 2012, zeigte er zum ersten Mal eine Kollektion auf der Ukrainian Fashion Week. Seitdem war er regelmäßig dabei. In Berlin jetzt zum dritten Mal. Jean Gritsfeldt hat deutsche Wurzeln, stammt aus Kyiv und wurde in den letzten Jahren mit zahlreichen Preisen gekrönt.
Die Marke designt Damen- und Herrenbekleidung, Schuhe und Accessoires. Er geht auch sehr experimentierfreudig mit verschiedenen Stoffen und Mustern um.
Der ukrainische Modedesigner Jean Gritsfeldt konnte wegen des anhaltenden Krieges in der Ukraine bei seiner Show in Berlin leider nicht persönlich anwesend sein. Eine Statement-Show als Abschluss der Mercedes-Benz Fashion Week ging trotzdem am 16. März über den Catwalk.
PLATTE.Berlin
#fashionunites mit diesem Claim startete die PLATTE.Berlin in die Fashion Week und eröffnete in Kooperation mit dem Fashion Council Germany, die Studio2Retail Woche. Die Location befindet sich in einem Plattenbau am Alexanderplatz.
Platte.Look präsentierte Ready-to-buy Looks mit dem Fokus auf gender- und sizeless Fashion. Anschließend konnten die Modebegeisterten im Conceptstore shoppen gehen.
Die Platte.Berlin setzte gemeinsam mit den Kooperationspartnern und ihren Gästen ein Zeichen der Solidarität für die Ukraine. Es wurden Spenden gesammelt und Charity Goodies konnten gegen Geldspenden erworben werden. Ebenso ging auch ein Teil des Getränkeerlöses an eine Hilfsorganisation zur Unterstützung der Ukraine.
Die Runway-Show läuft hier etwas anders ab. Talents suchen ihren eigenen Look aus den aktuellen Kollektionen der teilnehmenden DesignerInnen aus und laufen triumphierend den “Catwalk” lang.
Martina Manikowski