Das Kunstforum Wien zeigt bis zum 22. September 2022 in einer Retrospektive das Schaffen von Hermann Rastorfer. Zuvor waren seine Werke in einer erfolgreichen Museumsausstellung in Salzburg zu sehen. Der österreichische Künstler Hermann Rastorfer (1930–2009) war auch ein einflussreicher Designer. Die Retrospektive kontrastiert sein künstlerisches Schaffen mit seinen modernen Designs, die die deutsche Werbelandschaft des zwanzigsten Jahrhunderts bis heute prägt. Viele seiner ikonischen Entwürfe sind bis heute in Gebrauch.
Ein Multitalent
Das Werk Hermann Rastorfers kann als das eines Multitalents der Renaissance angesehen werden. Er war Maler, Zeichner, Bildhauer, Erfinder, Architekt und Grafiker. Er zog die Unabhängigkeit der finanziellen Sicherheit vor. Mit Leidenschaft bahnte er sich seinen Weg zum Erfolg und war der festen Überzeugung, dass die Welt ein Schauplatz für Wunder ist, die es zu vollbringen gilt.
1958 schrieb Eberhard Hölscher in der Monatsschrift zur Förderung künstlerischer Werbung über den damals 28-jährigen talentierten Künstler: “Er steht zwar seinen eignen Arbeiten äußerst kritisch gegenüber, gehört aber zu jenen Begabten, die weniger aus rationellen Erwägungen, als aus einem instinktiven Empfinden für das Richtige an ihre Arbeit gehen.” Dies galt sein ganzes Leben lang.
Vom Schriftsetzer zum Künstler
Rastorfer erlernte von 1945 bis 1949 den Beruf des Schriftsetzers. Viele der erworbenen Fähigkeiten bildeten die Grundlage für seine spätere Arbeit in der Werbung. Von 1948 bis 1962 illustrierte er die Salzburger Nachrichten. Parallel dazu begann er zu malen und zu zeichnen. Einige seiner frühen Arbeiten wurden 1949 in einer Gruppenausstellung in der 1899 gegründeten berühmten Galerie Welz in Salzburg gezeigt.
Ich sollte schließlich meine weitere künstlerische Entwicklung an Welz binden. Das war aber nicht mein Ziel. Damals wuchs die Erkenntnis, dass ein “freier” Künstler so nicht frei sein konnte.
Seine künstlerische Inspiration reicht zurück bis in die Antike, fordert aber auch die Kulturgeschichte mit Mozart heraus. Auch die Darstellung der menschlichen Anatomie war ein Thema, dem er sich unermüdlich näherte. Auf klassische Weise mit der Studie Ecce Homo, aber auch mit zeitgenössischen Einflüssen wie den Schädeln von Jean-Michel Basquiat. Sein künstlerisches Schaffen war leidenschaftlich und produktiv und wird von zeitgenössischen Kunsthistorikern als authentisch und einzigartig in seiner Form beschrieben.
Dr. Christiane Vielhaber, eine renommierte Kunstkritikerin und Autorin, stellte 2008 fest: “Versteht man unter Expressionismus jene künstlerische Ausdrucksform, die das Innerste nach außen kehrt und die in der sichtbaren Körperhülle das auszudrücken vermag, was sich unsichtbar im Inneren verbirgt […], dann zögere ich keinen Augenblick, Hermann Rastorfer als einen Expressionisten der ganz eigenständigen Art zu bezeichnen und aufrichtig zu loben.”
Bei ihm sind die Grenzen zwischen Kunst und Design fließend und stehen in ständigem Dialog miteinander. 1954 gründete er seine eigene Werbeagentur und etablierte sich schnell als Schlüsselfigur der Branche. Seine Entwürfe wurden für ihre klare Konzeption mit übergreifenden Gestaltungselementen gefeiert. Tatsächlich wandte Rastorfer die Prinzipien des modernen Corporate Designs an. Lange bevor sich dieser Begriff in Deutschland etablierte.
“Unter dem visuellen Marketing verstehen wir ein umfassendes Zusammenwirken aller Faktoren, welche ein Unternehmen und sein Produkt in Erscheinung treten lassen,“ stand in Artikeln der Zeitschrift Gebrauchsgraphik
Andreas Koop (Designer und Professor für Typografie und Design) schrieb für das Design Austria Buch über ihn:
Es wird kaum jemanden geben, der nicht einmal in seinem Leben ein von Rastorfer gestaltetes Produkt in Händen gehalten hat.
Einige seiner großen Projekte waren Briefmarken für die Deutsche Bundespost, Plakate für die Deutsche Bundesbahn und die berühmte Volkswagen-Kampagne mit dem eingängigen Slogan “Einen VW müsste man haben!” – die das Image des Unternehmens in den 50er und 60er Jahren mitprägte.
In denselben zwei Jahrzehnten revolutionierten kleine, erschwingliche Taschenbücher den Buchmarkt. Bei der Umschlaggestaltung dieser neuen Buchgattung im deutschsprachigen Raum spielte er eine prägende Rolle. Für die Verlage Ullstein, Fischer und Droemer Knaur schuf er im Laufe der Jahre Hunderte von Einbänden für Belletristik und Sachbücher.
In den 1960er Jahren spezialisierte er sich auch auf die Werbung und das Verpackungsdesign für pharmazeutische Produkte und die Lebensmittelindustrie. Für Boehringer Ingelheim setzte das Studio Rastorfer erfolgreich ein effektives und zeitloses Farbcodierungsdesign um, das noch heute auf Verpackungen verwendet wird. Als Designer gab er Ferrero Küsschen eine von ihm kreierte geometrische Verpackung, den Namen und die Kampagnenidentität.
Ausstellungen von Peking bis Salzburg
Während dieser erfolgreichen Jahre im Marketing florierte auch die Kunst Rastorfers. In vielen internationalen Sammlungen sind heute seine Ölgemälde und Zeichnungen zu finden. Seine Bronzeskulpturen, die in den Fußstapfen von Rodin und Maillol stehen, geben der bildhauerischen Tradition eine rohe und zeitgemäße Wendung. Die Skulpturen, Gemälde und Zeichnungen sind in zahlreichen Ausstellungen von Peking bis Salzburg zu sehen.
Die Hermann Rastorfer-Ausstellung im Kunstforum Wien würdigt das Werk des Künstlers, Marketingprofis und bemerkenswerten Menschen. Sein Vermächtnis in der Welt des kommerziellen Designs wirkt bis heute nach. Was ihn jedoch von seinen Kollegen unterscheidet, ist der Wille, in seiner Kunst unabhängig zu bleiben sowie seine Vision und Hingabe für das Schöne.
Martina Manikowski
Fotos: Galerie Gmurzynska