Die vielen Facetten – echte Wahrheiten – des edlen Rebensaftes rund um die Welt
Im Wein liegt die Wahrheit, wird gesagt. Stimmt? Zumindest sollten nicht zu viele Tropfen des Rebensaftes getrunken werden, denn sonst kann es passieren, dass zu viel (aus)geplaudert wird. Diese Weisheit zieht sich durch alle Kulturen und Sprachen rund um die Welt – „in vino veritas“. Von der Traube bis zum köstlichen Weingenuss sind es jedoch zum Teil kuriose Wege.
Wahr ist – am Anfang war die Traube. Was dann jedoch mit den hellgrünen bis schwarzblauen Früchten geschieht, ist oftmals ein wenig verrückt. So stellt ein Winzer an der französischen Atlantikküste seinen Wein 15 Meter unter Wasser her, in Ligurien begeben sich Weinliebhaber auf digitale Erkundungstouren durch die Weinberge und in der Südsteiermark wachen hölzerne Ungetüme über die kostbaren Reben.
Doch auch in Übersee gedeiht die Traube prächtig: Während in North Carolina einst die ersten amerikanischen Weintrauben entdeckt wurden, wandern heutzutage zahlreiche Genussfreunde auf Wine Trails durch Georgia. Zum Wohl! Cheers! À votre santé!
Frankreich
Fermentieren unter Wasser an der Atlantikküste
Emmanuel Poirmeur ist Agraringenieur und Winzer – mit einem kleinen Unterschied: Seit 2008 findet die Fermentation seines Weines namens Egiategia in 15 Metern Tiefe, statt. In der Bucht von Saint-Jean-de-Luz im französischen Baskenland. In den Tiefen des Meeres findet dieses innovative, patentierte und weltweit einzigartige Verfahren statt. Unter besonderen physikalischen Bedingungen, die für die Weinherstellung notwendig sind.
Die Unterwassertanks wurden speziell für diesen Zweck entwickelt und ermöglichen einen Druckausgleich zwischen der Umgebung, dem Ozean, und deren Inhalt, dem Wein. Diese außergewöhnliche Methode der Weinherstellung, wie sie einzig an Frankreichs Atlantikküste betrieben wird, enthüllt Aromen, die unter konventionellen Bedingungen an Land nicht entstehen würden.
Madeira
Per Seilbahn direkt zu Gaumenfreuden
Madeirawein – die meisten kennen ihn, doch nur die wenigsten wissen, dass er nämlich unter großer Wärme hergestellt wird. Die für den bekannten Wein benötigten Weinreben gedeihen an einem Ort auf Madeira besonders gut – und zwar in Faja dos Padres. Dieser abgelegene Ort direkt am Meer befindet sich am Fuße einer 300 Meter hohen Felswand und profitiert von einem einzigartigen Mikroklima.
Dort gedeihen sogar Tropenfrüchte. Terrassierte Felder und mehrere kleine Häuser umfasst der familiengeführte Biohof, auf dem Jesuiten bereits im 15. Jahrhundert Wein anbauten. Heutzutage ist Mario Fernandes für das ein Hektar große Weinfeld zuständig. Wird der Wein nicht direkt im hofeigenen Restaurant verköstigt, so gibt es für ihn nur zwei Möglichkeiten des Transports – auf dem Seeweg oder per moderner Seilbahn.
Ligurien
Erste digitale Eno-Trekking-Tour im Cinque Terre
Selbstbestimmt eine Region erkunden, dazu auf Knopfdruck passende Geschichten hören und einen guten Tropfen genießen – das ist Eno-Trekking digital. In der Ligurischen Region Cinque Terre, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, ist dies nun erstmals möglich. Anbieter ist der Weinbaubetrieb Buranco in Monterosso al Mare. Der größte Ort der Region ist Start und Ziel dieser Genussroute von etwa anderthalb Kilometern.
Die Reben-Tour in sechs Etappen beginnt am Weingut, wo der Picknickkorb gefüllt und das Smartphone mit der notwendigen App ausgestattet wird. Im Anschluss geht es durch Olivenhaine und ohne große Steigungen in die Weinberge. Die typisch steilen Rebenhänge Liguriens erfreuen das Auge: Während die eigentliche Strecke eher gemütlich und genussvoll verläuft, eröffnet sie einen 360-Grad-Blick auf einige der beeindruckendsten Weinterrassen des Cinque Terre.
Monaco
Weinkeller der Superlative im Hôtel de Paris
Wein wird im zweitkleinsten Staat der Welt zwar nicht angebaut, dafür öffnet sich unter den blühenden Gärten eines der berühmtesten Hotels der Welt ein Paradies, das sich hartnäckig vor der Sonne verbirgt: der Weinkeller des legendären Hôtel de Paris in Monte-Carlo. Auf einer Fläche von 1.500 Quadratmetern lagern hier 350.000 Flaschen – darunter besonders edle und teure Weine von Bordeaux bis Champagner. Namen wie Lafite, Petrus, Corton-Charlemagne oder Roederer Cristal sind ein Wohlklang in den Ohren von Weinkennern.
Interessant ist auch die Geschichte des Weinkellers: Während des Zweiten Weltkriegs beherbergte er einen geheimen Raum, in dem neben 20.000 Weinflaschen auch das Tafelsilber des Hotels und das Vermögen einiger Gäste vor den deutschen Besatzern versteckt wurde. Der urige Weinkeller kann für private Events gebucht werden. Ansonsten wird nur den Sommeliers der Hotelgruppe Société des Bains de Mer, prominenten Winzern und ausgewählten hochkarätigen Gästen der Zutritt gewährt.
Georgia
Napa Valley des Südens
Für Weinliebhaber bieten Georgias Berge seit Kurzem einen neuen Hotspot: das Dahlonega-Plateau. Die Region um die alte Goldgräberstadt Dahlonega wurde als erste Weinregion des Peach State zu einer American Viticultural Area (AVA) ernannt. Sprich, das Gebiet verfügt in Bezug auf seine Geographie, Geologie, Klima und die Qualität seiner Weinberge über das Potenzial, große Weine zu kultivieren und zu produzieren. Etwa 550 Quadratkilometer umfasst das Territorium.
Zahlreiche Weingüter produzieren hier preisgekrönte Spitzenweine im europäischen Stil. Dutzende davon sind in Familienbesitz. Unter anderem die Tiger Mountain Vineyards in fünfter Generation. Die Wolf Mountain Vineyards & Winery, hat die Messlatte für die Weinproduktion an der Ostküste gesetzt. Die Habersham Vineyards & Winery, eines der ältesten und größten Weingüter Georgias keltert seit 1983 preisgekrönte Weine. Viele Weine können entlang des Unicoi Wine Trails auf den diversen Weingütern probiert werden.
Südsteiermark
Eine Vogelscheuche für den ungetrübten Genuss
Über 280 Weingüter mit mehr als 2.563 Hektar Rebfläche zaubern aus der Südsteiermark das größte zusammenhängende Weinanbaugebiet Österreichs. Gesellige Weintastings, fröhliche Weinlesefeste, eine Wanderung durch die üppigen Weingärten oder der Genuss eines Glases Sauvignon Blanc in einem Buschenschank – beim Thema Wein macht der Südsteiermark keiner so leicht etwas vor. Was jedoch die wenigsten mit Wein in Verbindung bringen, ist nicht weniger das Wahrzeichen der Region: der Klapotetz.
Bestehend aus zahlreichen Einzelteilen und verschiedenen Holzarten, hält das regionstypische Windrad mit seinem Lärm ungebetene tierische Gäste davon ab, die Weingärten zu plündern. Traditionell werden die Klapotetze Ende Juli aufgestellt und nach der Weinlese im November wieder abgebaut. Das größte Exemplar umfasst einen Flügeldurchmesser von 14 Metern und steht am Demmerkogel im Sulmtal Sausal.
La Palma
Wein für die Noblesse
Der Weinanbau auf La Palma geht bis auf den Anfang des 16. Jahrhunderts zurück. Dank der guten Qualität wurde der palmerische Wein schnell zum Exportschlager. Der süße Malvasia durfte an keinem der größten europäischen Höfe fehlen, wo schon bekannte Literaten wie Shakespeare oder Sir Walter Scott Loblieder darauf sangen. Seit 1993 ist die Herkunftsbezeichnung La Palma geschützt und die Bedeutung des Weinanbaus nahm stetig zu. Der Anbau erfolgt vor allem an den Steilhängen in Hoyo de Mazo und Fuencaliente im Süden sowie im Norden.
Unter den 20 Rebsorten findet sich die namhafte Malvasia-Traube. Produziert werden Rot‑, Rosé‑, Weiß- und Dessertweine. Darüber hinaus gibt es einen Vino de Tea, ein aus Negramol- und Albillo-Trauben gekelterter Wein, der in Fässern aus kanarischer Kiefer gelagert wird. Bekannt ist dieser Wein für seine fruchtigen und harzigen Aromen. Für Weinliebhaber lohnt der Besuch des Weinmuseums der Insel (Casa Museo del Vino) in Las Manchas, in dem die Geschichte des Weinanbaus erzählt wird. Die Erzeugnisse können direkt vor Ort probiert werden.
North Carolina
Die vermutlich erste Weinrebe auf dem amerikanischen Kontinent
Weinherstellung hat im US-Bundesstaat North Carolina eine lange Tradition: Die erste amerikanische Weinrebe wurde bereits 1584 an der Küste auf der Insel Roanoke entdeckt. Keiner weiß genau, woher sie kam, aber man schätzt, dass sie entweder von Ureinwohnern oder Siedlern der Verlorenen Kolonie dort gepflanzt wurde. 1957 erwarben Jack und Estelle Wilson das Grundstück in Manteo, auf dem sich die Mutterrebe befindet.
Sie bauten dort ihr Haus, pflegten den Rebstock, luden Besucher in den Park ein und Nachbarn durften die Trauben selbst pflücken und essen. Im Jahr 2005 erlaubten sie der örtlichen Weinkellerei Mother Vine, Ableger der ursprünglichen Weinrebe in ihren Weinberg zu pflanzen. Daraus wird nun ein süßer mit einer leicht säuerlichen Note versehener Wein hergestellt.