Patrick Brizmann, Gründer der Charlotte Grace Fine Jewelry, hatte sich eine ausgefallene Idee in den Kopf gesetzt. Er wollte einen Reißverschluss als Armband. Das sollte aus dem Edelmetall Gold gefertigt und funktionstüchtig sein. Also, sich am Zipper auf und zu ziehen lassen. So weit so gut. Die Idee stellte ihn vor ungeahnte Herausforderungen.
Ich treffe ihn zum Interview im Soho House Berlin.
Hallo Patrick, wie kamst du auf diese originelle Idee?
Ich glaube, jeder hat Erinnerungen an seine Kindheit. Meine Mutter sagte immer im Winter zu mir,
mach’ die Jacke richtig zu!
Wie kleine Kinder halt so sind, wollte ich das nicht immer. Es war morgens, ich musste in die Schule, meine Mutter zog mir hektisch die Jacke zu und klemmte ein Stückchen Haut am Hals ein. „Autsch“, das kennt wohl jeder.
Das morgendliche Ritual im Winter den Reißverschluss der Jacke zu schließen, verbindet mich am meisten mit meiner Kindheit. Da dachte ich, es muss ein Reißverschluss sein. Und man könnte daraus ein Schmuckstück anfertigen. Die Idee war geboren.
Warum musste es unbedingt ein Reißverschluss als Schmuckstück sein?
Ich wollte vor allem mit dem ersten Produkt meiner ersten Kollektion – “La Fermeture Éclair” – ein Statement-Piece rausbringen, was mich an meine Kindheit erinnert und spezifisch eben an meine Mutter. Ihr ist auch die Marke gewidmet.
Der Reißverschluss gab mir plötzlich noch mal ein Gefühl von Zusammenhalt, weil praktisch die zwei Ketten des Reißverschlusses zusammenschmelzen. Sie symbolisieren einen Zusammenhalt zwischen zwei Menschen, zwei Geliebten, zwischen Freunden, aber auch zwischen Familien.
Zusammenhalt ist dir sehr wichtig?
Ich denke, dass wir nur mit Zusammenhalten eine Zukunft erreichen, die wir uns wünschen und wollen, ohne gegeneinander zu kämpfen. Wir werden ohne dieses Zusammengehörigkeitsgefühl die nächsten 30 Jahre diese Welt sonst nicht mehr haben.
Wer fertigt das Reißverschluss-Armband an?
Allein in Europa bin ich mit 40 Herstellern in Kontakt getreten. Auch in Amerika und Asien suchte ich nach Herstellern, aber jeder lehnte die Herausforderung ab. Es traute sich keiner zu.
Dachtest Du daran aufzugeben?
Nach den Absagen war ich nicht unbedingt verzweifelt, denn ich wusste es muss dieses Armband sein. Ich habe dann tatsächlich jemanden in Berlin gefunden. Mein Hersteller sagt jedes Mal,
Patrick, du bringst mir die kompliziertesten Designs, die ich jemals bekommen habe.
Das ich aufgebe, diese Option gab es nicht.
Was ist typisch für das Label Charlotte Grace?
Vor allem war es mir wichtig ein Schmuckstück rauszubringen, was der europäische Raum noch nicht kennt. Und genauso wie z. B. bei Cartier das Love-Bracelet, wenn man das sieht, weiß jeder sofort, das ist Cartier. Ich wollte eben auch ein „Piece“ kreieren, dass wenn man es sieht, sofort erkennt, Ok, das ist Charlotte Grace. Das war noch so ein Gedanke von mir.
Woher kam dein Interesse für Schmuck?
Meine Mutter, als Zahnärztin hatte lediglich mit Zahngold zu tun. Meine Großmutter hatte sich sehr für Schmuck interessiert. Sie war früher in Frankfurt a. M. mit meinem Großvater in der Pelzindustrie tätig und hatte nur als Hobby Schmuck selbst designt. Ihre Stücke verkaufte sie eigentlich nur an ihre Freunde. Auch die Erbstücke, die wir zu Hause haben sind fast alles nur eigendesignte Schmuckstücke meiner Großmutter.
Ich hatte schon seit meiner Kindheit eine Beziehung zu Goldschmuck entwickelt und weniger zu Lifestyleschmuck. Mir und auch meiner Mutter war es immer schon wichtig, Qualität zu kaufen. Da spielt dann auch der Aspekt Nachhaltigkeit eine Rolle. Es wird von Generation zu Generation weitergegeben. Modeschmuck, wenn er kaputt gegangen ist, bleibt in der Ecke liegen. Ihn zu reparieren, lohnt sich nicht, weil er wertlos ist.
Als kleines Kind ging ich oft an die Schmuckschatulle meiner Mutter. Ich war so fasziniert von dem goldenen Schmuck mit den glitzernden Diamanten und bunten Edelsteinen.
Du designst deine Ideen?
Nein, ich habe eine Designerin, da ich computergrafisch leider nicht so begabt bin. Wir arbeiten sehr eng zusammen. Meine Ideen, auch wenn es noch so verrückte Einfälle sind, setzt sie grafisch um. Ich bin der Creative Director und sie macht die Umsetzung als Art Director.
Seit Mai 2021 gibt es das Brand. Die Idee ein eigenes Produkt herzustellen entstand 2020. Ich wollte immer schon mal selbst was machen. Zur Zeit meines Abiturs habe ich zusammen mit einem Freund Perlenschmuck für Freunde gefertigt. Aber wir haben uns aus den Augen verloren, wie das halt oft so ist. Ich ging dann zum Studieren nach Monaco.
Wie viel Handarbeit steckt in den Edelmetall-Reißverschlüssen?
Das Reißverschluss-Armband ist komplette Handarbeit. Es schmiegt sich an, ist nicht starr. Das war eine echte Herausforderung an den Goldschmied. Die ersten Modelle waren alle starr wie ein Armreif, das hat mir aber nicht so gefallen. Ich wollte, dass es sich auf dem Arm des Trägers anschmiegt.
Es ist etwas Besonderes!
Ja, ich nehme es nie ab. Ich schlafe damit, mache Sport, dusche damit. Es ist etwas Besonderes, außergewöhnliches. Das Schöne dabei ist, es funktioniert auch noch wie ein richtiger Reißverschluss.
Den Verschluss gibt es in mehreren Varianten z. B. mit einem Solitärbrillanten oder komplett mit Diamanten besetzt oder völlig ohne Diamanten, stattdessen mit einer Gravur versehen. Das Schloss hat denselben Mechanismus wie von einem Tennis-Bracelet und dann noch ein Securitylog.
Es ist in verschiedenen Längen lieferbar. Jedes Armband ist nummeriert und in Gelb‑, Weiß- oder Roségold erhältlich.
Immer ein Unikat.
Woher beziehst du die Diamanten?
Wir machen Production on Demand – nur bei Bestellung wird produziert. Damit setzen wir auch einen Fokus auf Nachhaltigkeit und haben keine Überproduktion. Unsere Diamanten, beziehen wir ausschließlich von Händlern, die Mitglied der Kimberley Process Certification Scheme (KPCS) sind.
Diese Organisation schließt Blutdiamanten aus. Sie sorgt u. a. dafür, dass die Arbeiter vernünftig bezahlt werden. Alle unsere Diamanten, die ein Charlotte Grace Schmuckstück zieren, sind von der KPCS als „konfliktfrei“ zertifiziert.
Was hälst du von Labordiamanten?
Diese neuen „Lab Grown Diamonds“, die im Labor gezüchtet werden, sind für mich keine Alternative. Nicht aus dem Grund, weil ich meine, das ist nichts Cooles, sondern ich finde man muss das Problem da anpacken, wo es entsteht. Denn wenn wir jetzt Lab Diamonds verwenden, die in Europa hergestellt werden, dann verlieren all die Arbeiter in den dritte Welt Ländern komplett ihre Existenz.
Die KPCS kümmert sich darum und packt das Problem wirklich da an, wo es stattfindet. Hilft den Menschen dort ihre Existenzen zu retten. Es reden so viele neue Schmuckfirmen davon, wie großartig Labordiamanten sind. Aber ich finde, es vergessen alle diesen wesentlichen Aspekt, dass man das Problem nur umgeht und nicht löst. Das fehlt mir ein bisschen in den Gedanken der Leute.
Das Gold kommt woher?
Wir verwenden nur recyceltes Gold aus Italien. Wir sollten nicht unsere Ressourcen bis zum Ende verbrauchen, wenn wir mit dem arbeiten können, was bereits verwendet wurde. Eingeschmolzenes Gold ist genau wie neues Gold. Wir verwenden 750er Gold, 18 ct. In Indien oder auch den arabischen Ländern wird gerne 21ct Gold verwendet, weil es sehr leuchtend ist, sehr gelb. Für den „Reißverschluss“ würde es nicht funktionieren, zu weich.
Ebenso könnten wir das Armband nicht aus Platin herstellen. Platin ist auch viel zu weich. In Silber wäre es zu zerbrechlich. Aus Stahl wäre eine Möglichkeit, aber Stahl ist nicht unbedingt luxuriös, außer es ist eine Rolex. Da bleibt uns nicht viel übrig, als es aus Gold herzustellen.
Wie sieht dein Konzept aus?
Heutzutage bringen viele Marken alle drei Monate neue Kollektionen raus, die bis zu einem bestimmten Zeitraum nur erhältlich sind. Ich will jedoch kombinieren. Es werden vielleicht nur sechs oder sieben Stammkollektionen sein. Aber alle zwei drei Monate wird entweder ein neues Produkt innerhalb einer bestehenden Kollektion dazu kommen, oder eine komplett neue Kollektion kommt zum Sortiment dazu. Das bedeutet, wir haben jetzt mit dem Reisverschluss-Armband begonnen, im neuen Jahr kommen die passenden Ringe und eine Kette dazu.
Ein Reißverschluss als Ring und Kette?
Ja, z.B. dieser Musterring symbolisiert den Reißverschluss offengetragen, die Zähne gegeneinander. Der Ring hat ein besonderes Design bekommen. Den kann man mit und ohne Diamanten bestellen. Auf den Köpfen sitzen kleine Diamanten. Bei einem anderen Model sitzen die Diamanten seitlich.
Es ist sehr zeitintensiv – benötigt schon 1–2 Tage – einen Ring mit Diamanten zu besetzen. Die Ringe sind so aufwändig und kompliziert in der Produktion herzustellen und das alles in Handarbeit.
Es ist mir wichtig Produkte rauszubringen, die es so noch nicht gibt.
Die zwei Ringe, einmal im offenen Zustand und einmal im geschlossenen sowie die Kette ergeben wieder das Armband. Nur aus Armbändern lässt sich auch eine Kette machen, in beliebiger Länge. Man verbindet sie einfach miteinander, weil sie denselben Verschluss haben.
Man könnte auch eine Tricolor daraus machen, also Gelb‑, Weis- und Roségold zusammenschließen. Und da hat man wieder innerhalb dieses Spiels meinen Ursprungsgedanken, dass man zusammenhalten soll – wenn man mehrere Armbänder miteinander verbindet.
Gibt es schon eine weitere Kollektion?
Ja, mit meiner zweiten Kollektion “La Finesse en Detail” möchte ich Affordable Luxury anbieten. Von diesen zarten Ketten und Armbänder gibt es schon viele ähnliche auf dem Markt. Ich versuche preislich günstiger zu sein als andere Luxus-Schmuckmarken. Wer sich da auskennt merkt den großen Preisunterschied.
Möchtest du einmal ein Geschäft eröffnen?
Der Vertrieb findet zurzeit ausschließlich online statt. B to C – direkt zum Consumer. Ich möchte schon gerne expandieren und auf jeden Fall groß mit der Firma werden. Mein Wunsch ist, meinen ersten Flagshipstore in Paris zu eröffnen. Der Fokus soll aber auf online Vertrieb bleiben, weil ich glaube, dass das die Zukunft ist. Aber es darf nicht die „physical experience“ mit der Zeit verloren gehen.
Mein Plan ist, in den nächsten fünf Jahren ein Geschäft zu eröffnen. Nicht einen herkömmlichen Store, sondern ich möchte eine richtige Experience bieten. Der Kunde soll das Gefühl erleben, dass es immer noch eine schöne Erfahrung ist in ein Geschäft zugehen und nicht immer nur online zu kaufen. Es ist bestimmt schön in leuchtende Augen zu sehen, wenn sie ein Charlotte Grace Schmuckstück anlegen.
Trotzdem möchte ich niemals den Aspekt von Production on Demand verlieren. Egal wie groß die Marke wird. Also, dass immer erst bei Bestellung produziert wird, umso zukunftsorientierter arbeiten zu können.
Wie läuft eine Bestellung bei Charlotte Grace ab?
Bei uns sind die Produkte alle personalisiert. Wer in Deutschland ein personalisiertes Produkt kauft kann es nicht mehr umtauschen. Bei Charlotte Grace erhalten die Kunden eine Erinnerungs-E-Mail an ihre Bestellung. Der Kunde hat dann noch einmal 48 Stunden Zeit, die Bestellung eventuell zu stornieren, falls man sich doch dagegen entscheidet. Das ist eine Kulanz von uns. Nach den 48 Stunden beginnt die Produktion. Dann kann von dem Kaufvertrag auch nicht mehr zurückgetreten werden.
Warum produzierst du keinen Modeschmuck?
Der Kunde soll bewusst einkaufen, weil die Produkte durch Gold schon viel teurer sind. Er soll sich Gedanken dazu machen. Das ist der Grund, warum ich keinen Modeschmuck produziere. Ich möchte, dass meine Kunden ein Teil von Charlotte Grace werden.
Erzähl uns bitte noch etwas über dich
Ich bin ein sehr disziplinierter Mensch. Ich habe in den letzten 14 Monaten 70 Kilo abgenommen, ohne Coach und Arzt. Nur mit meinem eigenen Verstand. Diese 14 Monate waren die bisher intensivsten meines Lebens. Ich habe es nicht als Diät gesehen, sondern als Change of Lifestyle, und habe viel an mir selbst gearbeitet, sodass ich heute denke, dass es nichts gibt, was nicht erreichbar ist.
Heute lebe ich wieder in Frankfurt a. M., spreche fünf Sprachen: englisch, deutsch, rumänisch, hebräisch, französisch. Geboren bin ich in Spanien. Meine Mutter zog mit mir als ich zwei Jahre alt war zu meinen Großeltern nach Frankfurt. Mein Großvater war schwer krank und meine Mutter hatte sich entschieden für ihn dazu sein. Mein Vater ging nach New York.
Meine Mutter ist Zahnärztin und hat mich allein großgezogen. Sie hat mein Leben lang für mich gekämpft, wie eine Tigerlady. Deshalb auch der Tiger in unserem Logo. Der symbolisiert meine starke Mutter. Für mich, ist sie die bewundernswerteste Person, weil sie alles allein geschafft hat.
Mein Vater trat wieder in mein Leben, als ich 11 Jahre alt war. Es war schwierig für mich ohne männliche Bezugsperson aufzuwachsen. Ich hatte mir ziemlich viele Pfunde angefressen, die ich in den letzten zwei Jahren durch Disziplin verloren habe. Deswegen aufgeben gibt es nicht mehr. Ich habe erreicht, wovon andere nur träumen. Ich habe es selbst erreicht, dass versuche ich immer mitzuteilen. Alles im Leben ist machbar, es ist die Willensstärke und die Disziplin, die man an den Tag legt.
Patrick, vielen Dank für das Interview.
Martina Manikowski